Das Ziel war am Morgen klar. Bei der großen Düne in der Lut im Schatten vom schwarzen Berg. Ein Stellplatz, den ich 2019 ausfindig gemacht hatte. Quasi das Eingangstor zur Lut-Runde. Also startete ich den Motor und rollte langsam los. Nach wenigen Metern konnte ich plötzlich kein Gas mehr geben. Als öffnete ich die Motorhaube. Der Geber bewegt sich. Ich hasse Computer im Fahrzeug. Nach einem Neustart funktionierte alles wieder. Also ging es weiter durch die vorgelagerte Bergwelt ab von der Hauptstrecke Richtung Süden. Kurz vor der Einmündung nach ca. 150 km auf die Hauptstrecke leuchteten alle Signallampen vom Fahrzeug und ein Geräusch wies auf den Keilriemen hin. Also öffnete ich wieder die Motorhaube und sah das Problem. Die Umlenkrolle, die den Riemen spannt, war defekt. Das Kugellager war nicht mehr da. Die Rolle rutschte weg. Also entfernte ich erstmal mit Mühe den Keilriemen. Wenn der Motor nur nicht so heiß gewesen wäre … Die Rolle war komplett zerstört und diese reparieren konnte ich nicht. Das Ersatzteil lag zuhause im Lager. Aus Gewichtsgründen wiedermal nicht mit dabei. Das wars, war der erste Gedanke. Die Straße führte abwärts zur Hauptstrecke. Also stiegen wir ein und rollten bergab. Zum Schluss noch mit etwas Motorkraft über die Hauptstrecke auf die andere Straßenseite auf den Platz. Eine alte Bushaltestelle mit zwei Bettlern schmückte den Platz. Was sollten wir tun? Richtung Süden war eine schlechte Idee, also Richtung Norden. Bis zur nächstgrößeren Stadt Birdschand waren es 120 km. Ich nahm das Abschleppseil in die Hand und stellte mich bei der Hitze an die Straße. Nur ein LKW konnte uns abschleppen, doch leider hielt keiner. Mehrere junge Männer hielten mit ihrem Auto und versuchten, den Abschleppdienst zu erreichen. In der Zwischenzeit hielt ein Bauer mit einem alten blauen Pickup. Er bot an, uns abzuschleppen. Mit 30 km/h ging es nun Richtung Norden. Nach ca. 25 km stoppten wir bei einem Polizeicheckpoint und der Pickup-Fahrer meinte, dass sein Fahrzeug zu schwach für unsere über vier Tonnen sei. Wir bedankten uns und wendeten uns an die Polizei. Diese zeigten sich unglaublich hilfsbereit und nebst dem, dass sie den Abschleppdienst riefen, versorgten sie uns mit Tee, Safranzucker, Wasser und Keksen. Die Wartezeit nutzten wir für Smalltalk. Interessante und sehr nette Polizisten. Was kann man auch anderes erwarten von Polizisten mit einer Kalaschnikow um den Hals, grins. Mein Sohn musste noch schnell die Pässe und Fahrzeugpapiere zeigen. Dabei sah er im Gebäude einen fein gekleideten Herrn. in Handschellen und Fußfesseln, brav auf einem Stuhl sitzen. Ob er auch so nett bedient wurde? Beim Smalltalk mit den Polizisten erfuhren wir, dass die Grenznähe zu Afghanistan ein großes Drogenproblem mit sich brachte. Ein Kleinlaster mit Hebebühne traf nach etwa einer Stunde ein, um uns abzuschleppen. Das Aufladen über die Rampe verlief dramatisch. Der Sprinter kippte fast bei dem Manöver. Außerdem riss das Stahlseil zum Hochziehen. Zum Schluss stand der Sprinter kippelig auf dem Kleinlaster und es ging los. Der Fahrer meinte, es würde wohl zwei Tage dauern, bis der Sprinter wieder fahrtüchtig sei. Auf halber Fahrt machten wir eine kurze Pause und der Fahrer spendierte uns eine Dose iranisches Erfrischungsgetränk. Nach fast drei Stunden Fahrt trafen wir bei einer kleinen Werkstatt ein. Ich war skeptisch. Der Sprinter wurde abgeladen und das Stahlseil riss erneut. Der Sprinter kippte fast. Dramatische Szenen. Dann die ersten Diskussionen mit den Mechanikern. Der Werkstattmeister war sehr zuversichtlich. Ich weniger. Der Ausbau hat begonnen und wurde ausgedehnter als erwartet. Irgendwann war mir alles egal, wenn nur der Sprinter zum Schluss wieder lief. Es konnte nicht schlimmer werden, denn dann fiel noch das zweite Mal in diesem Urlaub die Türfalle der Schiebetür ab. Ich dachte: „Ist an der Karre eigentlich alles Schrott?» Da ich Zeit hatte, das Problem zu reparieren, löste ich das Problem so, dass es nie mehr passieren kann, und beschloss,die anderen Griffe später auch so zu modifizieren. Die von Mercedes verwendeten Schrauben sind aus meiner Sicht viel zu kurz. Pfusch am Bau nennt man das. Mittlerweile schaute es bei den Mechanikern vorn am Sprinter übel aus. Der Kühler, der Filter und alle Lampen waren komplett ausgebaut. Das Kühlwasser lassen sie in eine Blechwanne voller Dreck ab. Bei allem Übel dazu witzelten die Mechanikermit mir rum. Galgenhumor. Doch es stellte sich heraus, dass die Kerle genau wussten, was sie taten. Leider fehlte das eine oder andere Werkzeug für den Ausbau. Da konnte ich mit meinem Schweizer Qualitätswerkzeug gut aushelfen. Die Halterung der defekten Rolle war mittlerweile ausgebaut. Die Schraube der Rolle war unbrauchbar, wodurch die Mechaniker diese ausbohrten. Im Fundus wurden zwei Kandidaten von Ersatzumlenkrollen gefunden. Dann suchten sie noch in einem großen Haufen passende Schrauben und Distanzringe. Unglaublich, aber wahr. Nach wenigen Minuten war alles klar, der Zusammenbau konnte beginnen. Nun ging alles Schlag auf Schlag und der Werkstattchef machte das sicher nicht zum ersten Mal. Jede Schraube war beim ersten Versuch direkt am richtigen Ort verbaut. Ein wahrer Held der Mechanik. Es wurde nun dunkel und wir rüsteten uns mit Lampen aus. Neues Kühlmittel wurde eingefüllt und der Sprinter war nun bereit für den Moment der Wahrheit. Es war alles dicht und der Motor lief! Nach knapp vier Stunden Arbeit war alles erledigt. Wir fuhren erschöpft zum Stadtpark und genossen Speiseeis. Das hatten wir uns redlich verdient. DANKE AN DIE IRANISCHEN MECHANIKER. Das sind die wahren Helden der heutigen Zeit.
Erkenntnis des Tages: Alles an Ersatzteilen mitnehmen. ALLES.
Erkenntnis des Tages: Alles an Ersatzteilen mitnehmen. ALLES.